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Promis tun es. Lieschen Müller und Oma Erna auch. Radiosender rufen dazu auf und legen umfangreiche Galerien an, Musik-Videos treiben damit die Klicks auf in die Höhe und Medienwissenschaftler suchen nach den Ursachen des Phänomens.

Selfies. Die Sozialen Netzwerke sind voll von Menschen, die sich selbst fotografieren. Mittlerweile ist es auch ein gefragtes Instrument für Kommunikationsaktivitäten, bei denen Aufmerksamkeit durch User Generated Content erreicht soll.

Um die richtige Botschaft aufmerksamkeitsstark zu transportieren, sind Bilder von entscheidender Bedeutung. Vor allem Menschen, insbesondere Gesichter sind es, die in uns Emotionen hervorrufen. Selfies sind also perfekte Vehikel. Der Visual Storyteller wird im Rahmen von Selfie- zum entscheidenden Teil des Kommunikationskonzepts. Der „Mitmach“- und „Do it yourself“-Faktor ebnet stärker als vergleichbare Aktionen den Weg zur gewollten Interaktion. Und nicht zuletzt werden Marken-Erlebnisse glaubhafter und weniger abstrakt als mit „Schöne-heile-Welt“ Botschaften. Denn Selfies visualisieren durch den zufälligen Charakter den sozialen Kontext des Protagonisten.

Ein Affe, Angela Merkel, Beaker und Bradley Cooper

Das Selfie des Schopfmakaken-Weibchens ging 2011 um die Welt. Der Fotograf David Slater hatte eine Serie von Affenfotos veröffentlicht. Diese Fotos waren während seiner Reise im indonesischen Regenwald entstanden. Ein besonders neugieriges Affen-Weibchen machte sich mit seiner Kamera vertraut und drückte irgendwann den Auslöser. Wikimedia stellte das Foto als gemeinfrei in sein -Lexikon ein. Nun klären Juristen die Urheberrechtsfrage.

Je ungewöhnlicher die Konstellation, desto wirkungsvoller. Das Selfie von Lukas Podolski und Angela Merkel nach dem ersten Weltmeisterschaftsspiel 2014 hatte fünfzehn Stunden nach Veröffentlichung sensationelle 13 Millionen Views generiert. Davon klickten 420 000 auf „Gefällt mir“, rund 8.500 kommentierten es, und nahezu 27.000 verbreiteten das Selfie durch die Funktion „Teilen“.

Auch die Muppets haben den Trend erkannt. Das Selfie von Beaker erreichte im Januar 2014 knapp 2.900 Likes und 238 Kommentare. Selbstverständlich überbot Miss Piggy dieses Ergebnis mit gut 3.500 Likes.

Bislang unerreicht bleibt jedoch das „Oscar-Selfie“ mit Filmstars wie Bradley Cooper. Das Foto wurde innerhalb von einer Stunde mehr als 1,4 Millionen Mal retweetet, nach vier Stunden waren es bereits 2,4 Millionen Retweets. Eine gelungene PR-Aktion des Oscar-Sponsors Samsung, die dessen Smartphone „Galaxy Note“ eine ungeahnte Aufmerksamkeit bescherte.

Das Selfie als Kommunikationsinstrument

Wie also sieht die Netiqutte für das perfekte Selfie aus?

  • Die richtige Kamera ist entscheidend: Die Selfie-Kamera“ auf der Vorderseite des Smartphones hat in der Regel eine schlechtere Bildqualität und keinen Blitz, dafür aber einen größeren Weitwinkel, ist leichter zu bedienen. Vorteil: man sieht gleich, wie das Foto aussieht.
  • Bildbearbeitungs-Apps sind erlaubt: Durch Filter und Bildbearbeitungswerkzeuge kann ein Selfie verschönert werden. Der natürliche, „unprofessionelle“ Charakter sollte jedoch nicht verloren gehen.
  • Komposition hilft: Das Selfie sollte die gewünschte Botschaft transportieren, der Gesichtsausdruck muss also zum Gesamtkontext passen. Wichtig ist auch der Ausschnitt des Hintergrunds. Bereits etablierte Kategorien können hilfreich sein:
  • Das „Usie“: lichtet eine Selfie-Gruppe ab. Die Botschaft: „Wir ist besser als Ich“ steht hier im Fokus.
  • Das „Shoefie“: setzt Füße in Szene, inkl. High-Heels, Sneaker oder Sandaletten. Perfekt für Schuh- oder Mode-Labels, das Synergiepotential für Kosmetikhersteller ist groß.
  • Das „Belfie“: stellt den Po [das B von butt oder bottom] in den Vordergrund. Für Spotartikelhersteller und die Healthy-Food-Branche interessant.
  • Bewegung ist wichtig: Nicht zu lange in einer Haltung verharren, sonst wirkt man steif. Die spontane Energie der Momentaufnahme schwindet mit jeder Sekunde. Je mehr „Ungeplantheit“, desto besser.
  • Licht hilft: Für das Selfie sollte eine ausreichende Lichtquelle zur Verfügung stehen. Unschöne Schatten werden dadurch vermieden.
  • Arm austrecken: Je näher die Kamera am Gesicht ist, desto eher entstehen unschöne Verzerrungen. Deshalb den Arm mit dem Smartphone so weit wie möglich ausstrecken. Die Grenze: der Auslöser muss entspannt bedient werden können.
  • Die Perspektive zählt: Selfies von unten vermeiden. Falten, Doppelkinn und ein gesenkter Blick sind unschön. Ein Winkel von 45 Grad ist perfekt, dabei den Arm leicht anwinkeln und das Smartphone etwas über Augenhöhe halten.
  • Regionale Unterschiede beachten: Die Ergebnisse einer umfangreichen Bild-Analyse gibt es bei selfiecity.net und kann mithilfe verschiedener Parameter auch selbst gefiltert werden.

Sollen mehrere Personen oder zusätzlich besondere Gebäude oder Gegenstände gezeigt werden, gilt die gängige Praxis:

  • Vor dem Publizieren die Einwilligung des Urhebers schriftlich einholen, am besten explizit, mindestens aber konkludent; Quelle angeben
  • Die eingesetzte Creative Commons Lizenz vor dem Download aufmerksam lesen – Kostenlos bedeutet nicht immer unentgeltlich
  • Gemeinfreier Content kann beliebig genutzt werden
  • Bei Fotos von Minderjährigen die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten einholen
  • Etablierte Bildagenturen für Stock-Material nutzen

Ausnahmen hiervon bilden Personen der Zeitgeschichte und Fotos von Häusern oder Kunstwerken im öffentlichen Raum.

  • Auf der richtigen Plattform platzieren: Jetzt muss das Selfie auf der richtigen Plattform publiziert werden. Instagram zählte im August 20 Milliarden Bilder, davon über 15 Milliarden Selfies. Dennoch steht Facebook an erster Stelle, wenn es um das Teilen. Laut Digital Insights hat Facebook 1, 28 Milliarden, Twitter 255 Millionen und Instagram 200 Millionen aktive User. Der Wettbewerb ist somit groß, das Potential aber auch. Über 70% aller Erwachsenen nutzen Facebook, was eine unerreichte Dominanz in der Selfie-Welt bedeutet.